Nicole Heßberg

Aufsteigerin
Master Studentin

Wie verläuft die Arbeit mit Deinem Mentor?

Es ist superspannend! Wir treffen uns seit über einem Jahr einmal pro Woche und haben es wirklich geschafft so konstant zu bleiben. Ich bin jetzt am Ende meines Masterstudiums und muss überlegen, wohin die Reise geht. Ich habe kein Familiennetzwerk, mit dem ich das reflektieren kann. Wir haben vieles besprochen: Wie muss mein Lebenslauf sein? Wie und wo bewerbe ich mich? Was passt überhaupt zu mir? Zurzeit reden wir viel über meine Gründung. Und es ist natürlich sehr cool jemanden zu haben, der mir dazu Feedback gibt. Am Anfang haben wir überlegt, wie wir das Mentorat gut strukturieren können. Und dann haben wir einfach losgelegt: Was sind unsere Themen, worüber wollen wir sprechen? Es ist schön zu merken, die Kommunikation geht in beide Richtungen und auch über klassische Karrierefragen hinaus.

Wie bist Du zur Aufsteiger Community gestoßen?

Ich bin mit meiner Arbeit bei der Stipendienberatung von ApplicAid auf Aufsteiger gestoßen. Dann habe ich gesehen, dass Stefanie auch Mentorin in meinem Schülerstipendium bei der Roland Berger Stiftung ist. Ich war mir sicher, wenn sie das macht, dann wird das sicher ein super Angebot. Und so kam es auch. Ich habe bei Aufsteiger nicht nur einen Mentor für die Planung der Karriere gefunden, sondern auch zu allen möglichen Lebensfragen. Ich glaube wir haben bei unseren Fragebögen zu 100% die gleichen Antworten gegeben. Das passt absolut.

Wie sehen Deine weiteren Pläne aus?

Meine Gründungsidee ist ein nachhaltiges und soziales Modelabel. Das hat auf den ersten Blick nichts mit meinem Studium zu tun. Aber manchmal weiß man: Das ist die richtige Idee und dass muss ich jetzt tun. Mein Studium der Digitalen Arbeit hilft mir dabei enorm: Ich habe viel über Wirtschaft gelernt. An meiner Uni gibt es ein Gründungsnetzwerk, das ich nutzen kann. Ich habe Lebenserfahrung gesammelt und mich mit unterschiedlichen Leuten verbunden. Ich bin in schwierigen sozialen Bedingungen mit sechs Geschwistern in Leipzig aufgewachsen. Bei allen Nachteilen weiß ich aber: Ich kann meinen zukünftigen Weg selbst gestalten.

Was würdest Du mit Deiner Erfahrung anderen mitgeben?

Es ist wichtig, sich darauf zu besinnen, was man selbst gerne möchte. Viele verstricken sich in Systeme, wo sie die ganze Zeit nur Dinge für andere machen. Für mich gilt: Wenn ich glücklich bin, dann sind es die Leute um mich herum auch. Und es ist doch viel besser, das Glücklichsein ausstrahlen zu können, als von anderen einfangen zu wollen. Mit meinem Gründungsprojekt merke ich, dass so viele von meinen Freund:innen, die ähnlich prekär aufgewachsen sind, sich so etwas nicht zutrauen. Dadurch, dass ich das mache, haben sie die Möglichkeit dabei zu sein, teilzuhaben und Ideen zu teilen. Das ist mir wichtig. Ich habe einen Wertekompass, der mich immer in die richtige Richtung bringt. Anderen Menschen zu ermöglichen auch Verantwortung für sich und andere zu übernehmen ist das Ziel.

Welche Werte sind Dir besonders wichtig?

Am wichtigsten ist für mich „Solidarität“. Zurückzugeben, was man bekommen hat. Auch Freiheit ist für mich sehr wichtig. Ich möchte frei sein in meinen Entscheidungen, der Gestaltung meines Lebens. Meine ersten 18 Lebensjahre als Teil des Sozialhilfe-Systems waren fremdbestimmt. Da hatte ich keine einzige Sekunde, wo ich für mich selbst entscheiden konnte. Natürlich habe ich Schritte in die richtige Richtung gemacht. Aber ich konnte z.B. kein Geld ansparen und keinen Führerschein machen. Vieles hat mich limitiert. Natürlich war mein Leben auch ein Stück weit vorgezeichnet. Meine Geschwister waren froh, wenn sie eine Ausbildung machen konnten. Deshalb ist für mich Selbstbestimmtheit und Freiheit sehr, sehr wichtig. Und natürlich auch Selbsterfüllung und Kreativität.

Denkst du in Kategorien, wie Erfolg?

Ich glaube, meine Freunde würden mich als sehr erfolgreich bezeichnen. Ich habe neben meinem Studium mit ApplicAid eine Stipendienberatung mit aufgebaut. Bislang konnten wir 250 Menschen bei der Suche nach dem richtigen Stipendium und der erfolgreichen Bewerbung helfen. Ich habe zuerst einen Bachelorabschluss gemacht, jetzt stehe ich vor dem Masterabschluss. Wenn man die Statistiken anschaut, ist das für Menschen aus dem Milieu, aus dem ich komme, eher unwahrscheinlich. Aber Erfolg ist für mich kein zentrales Kriterium. Ich möchte vor allem mit meinem Leben zufrieden sein. Ich bin die Pilotin meines Lebens und kann jeden Tag auch andere Dinge machen.

Was würdest Du uns gerne noch mitteilen?

Es gibt diese Logik, dass es jeder schaffen kann. Mittlerweile ist bei vielen angekommen, dass das eben nicht jeder kann. Ich hatte auch ein bisschen Glück. Aber mir ist es auch wichtig zu sagen, dass am Ende ich diejenige war, die alles umgesetzt hat, trotz der schwierigen Umstände. Ich möchte das möglichst authentisch mit Menschen teilen. Ich denke, dass sehr häufig die Perspektive von Menschen fehlt, die, wie ich mit Sozialleistungen aufgewachsen sind und was das für das Leben bedeutet. Es ist so anstrengend, da rauszukommen. Das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Die Gesellschaft sollte das noch viel mehr anerkennen, mehr Respekt dafür haben. Viele Menschen nehmen das beiläufig einfach hin. Nein, das ist eine große Leistung, das sollte man auch anerkennen.

Was ist Dein Wunsch für die Zukunft?

Ich glaube nicht, dass man irgendwo ankommt im Leben. Für mich habe ich verinnerlicht: Egal, wie widrig die Umstände sind, ich muss jetzt im Moment das Beste daraus machen. Ich bin sehr visionär, d.h. es hilft mir, klare Ziele zu formulieren. Wo will ich sein? Was will ich machen? Ein großes Ziel für mich ist, ein Haus zu kaufen. Für meine kleine Familie: Meine nächstälteste Schwester, ihre zwei Kinder und die beste Freundin meiner Schwester gehören dazu. Das Gefühl von Familie hatte ich früher nie. Ich hätte gerne mal einen Hund. Ich möchte auch mal ein Buch schreiben über mein Leben, was ich gemacht habe. Solche Dinge habe ich schon vor Augen. Ich gehe mit offenen Augen durchs Leben, mit dem Flow, den das Leben oft bereithält und habe langfristige Ziele, die ich erreichen möchte.

Portrait von Nicole Heßberg